Sex nach der Geburt: Sexualtherapeutin Ann-Marlene Henning klärt auf
Sex nach der Geburt: Sexualtherapeutin Ann-Marlene Henning klärt auf
4 Tipps, um die Liebeslust wieder zurückzugewinnen
Das erste Mal nach der Geburt ist für viele Paare spannend und aufregend aber auch eine gewisse Unsicherheit ist mit im Spiel. Wird es wehtun? Fühlt es sich anders an? Dürfen wir überhaupt jetzt schon wieder Sex haben? Sexualtherapeutin, Autorin, Moderatorin Ann-Marlene Henning beantwortet fünf Fragen rund um Sex und Liebesleben nach der Geburt.
- Worauf sollten Paare, insbesondere frisch gebackene Mütter, achten, wenn sie kurz nach der Geburt wieder Lust auf Sex verspüren?
Einige Frauen haben bereits wenige Wochen nach der Geburt wieder Lust auf Zärtlichkeiten und Sex. Wenn diese Lust von ganz alleine kommt, ist das etwas sehr Schönes. Dennoch darf man nicht vergessen, dass der Körper bei einer Geburt Höchstleistungen vollbringt und extrem strapaziert wird. Das bedeutet, dass er eine Weile benötigt, um sich zu regenerieren und diese Zeit sollte man ihm auch unbedingt geben (mindestens vier bis sechs Wochen). Sobald ihr aber Lust aufeinander habt, probiert es mit Vorstufen aus und lernt, euch selbst und euren Partner oder eure Partnerin wieder zu spüren: Berührungen, Petting und sanfte Stellungen sind ideal, um sich langsam wieder an das Sexleben anzutasten. Sollten beim Sex Komplikationen wie Schmerzen oder Blutungen auftreten, haltet unbedingt Rücksprache mit eurem Frauenarzt oder eurer Frauenärztin.
Übrigens, was viele frischgebackene Mütter nicht wissen: Es kann auch vorkommen, dass Frauen beim Stillen plötzlich sexuelle Lust verspüren. Denn die Brustwarzen und die Gebärmutter sind durch Nervenenden eng miteinander verknüpft. Daher ist kein Grund für Scham, sondern ein ganz natürlicher Prozess.
- Ist es „normal“, dass die Lust auf Sex auch Monate nach der Entbindung nicht wiederkommt und was können Paare dann tun?
Es kommt sogar sehr häufig vor, dass das Sexleben von frisch gebackenen Eltern nach der Geburt für Monate auf Eis liegt. Oft hat das aber nicht biologische, sondern psychologische Gründe – und die können vielseitig sein.
- Einnehmende Elternrolle: Viele Paare stellen sich als frischgebackene Eltern so sehr als Paar zurück, dass die Zweisamkeit vollkommen hintenüberfällt. Klar, dass sich erstmal alles ums Baby dreht. Ich empfehle aber, dass ihr euch von Anfang an Zeit für euch nehmt, damit keine Muster entstehen, unter denen eurer Liebesleben und damit eure Beziehung leiden. Es ist okay (sogar wichtig!), wenn ihr euch einen Babysitter organisiert, um ein paar Stunden Zweisamkeit zu genießen und euch voll auf euch zu konzentrieren.
- Falsche Erwartungen: Sex nach der Geburt wird eher ein anderer Sex sein, als das wilde Liebespiel, an das sich viele aus ihrer Kennlernphase erinnern werden. Als Eltern und eingeschweißtes Paar findet der Sex oft auf einer anderen Ebene statt. Viele Paare lernen sich und den Körper des anderen durch Sex nach der Geburt noch einmal ganz anders kennen und lieben. Statt spontane Lust, sollte man sich eher auf sogenannten responsiven Sex einstellen. Also Schritt für Schritt annähern, austesten und die Reaktion des anderen ganz genau wahrnehmen. So finden Paar stufenweise zu einem neuen, schönen Sexleben. Manchmal sogar noch besser als vor der Geburt.
- Fehlender Kontakt: Nehmt bewusst Kontakt zu einander auf. Das können kurze, körperliche Berührungen im Alltag sein, etwa ein Kuss, eine Umarmung, Händchen halten. Aber auch direkte Kommunikation gehört dazu. Tauscht euch über eure Gedanken, Gefühle, Ängste und Vorstellungen aus und nehmt die Äußerungen des anderen wahr. Denn wenn ihr nicht miteinander sprecht, dann ist es Zufall wie es nach der Geburt mit eurem Sexleben weitergeht. Wenn es mit der Kommunikation gar nicht klappt und ihr einfach nicht weiterkommt, kann es sinnvoll sein, sich an einen Sexualtherapeuten oder eine Sexualtherapeutin zu wenden. In vielen Städten gibt es darüber hinaus Beratungsstellen von Pro Familia, die eine gute erste Anlaufstelle sein können.
- Viele Frauen haben nach einer Schwangerschaft und Geburt mit starken Selbstzweifeln zu kämpfen. Was können sie dagegen tun?
Für einige ist die Zeit nach der Geburt oft besonders schwer, da sie ihren Körper komplett neu erleben. Einige kommen mit der Gewichtszunahme nicht gut klar, andere fürchten sich vor dem Anblick oder das Gefühl „untenherum“ („Bin ich jetzt zu schlaff geworden?“) und manche haben große Angst, dass Sex nach der Entbindung schmerzhaft und unangenehm ist. So entsteht bei vielen ein Schamgefühl, durch das sie sich ihrem Partner oder ihrer Partnerin nicht mehr zeigen wollen und Berührungen scheuen. In diesem Fall kann es helfen, wenn die Frau sich etwas Gutes tut, um sich wieder wohlzufühlen: Kaufe dir neue Wäsche, in der du dich wohlfühlst, geh zum Sport, oder gönne dir ein ausgiebiges Schaumbad und komme mit deinem Geist und deinem Körper wieder bei Dir an, also in Einklang.
Außerdem kann ich nur dazu ermuntern, sich intensiv mit der eignen Sexualität und dem eigenen Genital auseinanderzusetzen. Nehmt euch Zeit, um euch zu spüren und euch selbst zu erforschen. Was mögt ihr gerade, was erregt euch und was wünscht ihr euch von eurem Partner? Lernt euch selbst kennen und vergesst nicht, dass ihr jetzt nicht nur Mutter seid, sondern weiterhin eine Frau mit sexuellen Bedürfnissen, denen ihr nachgehen könnt und sollt!
- Wie sieht es mit der Verhütung aus: Sind Frauen nach der Geburt oder während der Stillzeit sicher vor einer Schwangerschaft geschützt?
Auch wenn sich das Gerücht hartnäckig hält: Stillen schützt nicht zuverlässig vor einer ungewollten Schwangerschaft. Auch, wenn der Körper einige Zyklen nach der Geburt weniger fruchtbar ist und sich erst einmal wieder regulieren muss, ist es möglich, dass ein Ei befruchtet wird. Daher solltet ihr nicht einfach wieder loslegen, ohne vorher mit eurem Frauenarzt oder eurer Frauenärztin über die passende Verhütungsmethode zu sprechen.